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Dylreen

Ansicht der Burg Dylreen von Stauros

Begebenheiten aus der Geschichte Borgon-Dyls

Hinweis: Dieser Abschnitt ist aus der Sicht eines Bewohners von Myra geschrieben und daher notwendigerweise subjektiv.

Lang ist die Geschichte Karcanons, und ebensolang sind die Regale unserer Reichsarchive, in denen sich Schriftrollen mit Augenzeugenberichten und Chronistenaufzeichnungen häufen, die die Erschütterungen und Umwälzungen schildern, die durch die Jahrhunderte über unseren Kontinent fegten. Doch finden wir 417 Jahre nach Pondaron, der großen Schlacht zwischen Licht und Finsternis, die den Beginn unserer heutigen Zeitrechnung markiert, in den Archiven ebensoviele Berichte von und über Helden vergangener Zeiten, deren Lebenszweck in der Erkundung der Länder und Meere, dem gewinnbringenden Handel mit fremdländischen Waren, oder auch nur der Befriedigung der eigenen Neugier oder Abenteuerlust bestand. Wir erfahren über den beschwerlichen Alltag der Reisenden ebenso wie über Scharmützel mit Banditen und Piraten, über die Wunder der Natur ebenso wie über ihre Heimsuchungen, über Städte, deren Lage heute keiner mehr kennt wie über verschlafene Marktflecken, die heute zu Metropolen des Handels geworden sind.

Wohl keinen wird es wundern, daß viele dieser Erzählungen von Seefahrern stammen, bestehen doch drei Fünftel der Grenzen unserer Heimat Borgon-Dyl aus Meeresküsten. (In der Allgemeinsprache bedeutet dieser Name soviel wie "das Land BORGONs". Unser Volk, das sich selbst Borgon-Dun - "Kinder BORGONs" - nennt, leitet seine Abstammung nämlich von der Verbindung einer Sterblichen mit dem Kriegsgott und Schütterer, dem Wolfs-und Stiergott BORGON her.) Die wagemutigen Männer und Frauen (ja, auch Frauen, denn sie sind in unserem Volk hochgeachtet und gleichberechtigt, auch wenn sie seltener Berufe ergreifen, die in der übrigen Welt als reine "Männersache" gelten), die den Gefahren und Stürmen der Meere die Stirn boten, brachten nicht selten große Reichtümer - und Schätze an Erfahrungen - zurück in ihre Heimat, wenngleich wohl etliche auch nie wiederkehrten, und nur NORYTTON, der Wellenreiter und Gott der Meere, weiß darüber, welches Schicksal sie ereilt hat...

Einige Helden, die wir in Archivberichten finden, kennen wir aus der mündlichen Überlieferung, die im Volke von Generation zu Generation weitergegeben wird. So verhält es sich auch mit dem legendären Meeryner Seefahrerkapitän Bordan y'Gandor, dessen Flaggschiff, die Fergonde, heute in Ormarads Hafen liegt und alljährlicher Schauplatz des landesweit beliebten Fergonde-Festivals ist. Wir sind in der glücklichen Lage, hier den authentischen Bericht des Kapitäns selbst widerzugeben - über das denkwürdige Scharmützel vor Dylreen am Flaschenhals des Inneren Meeres, das ihn und sein Schiff so berühmt machte:


Begegnung vor Dylreen[]

"Eine schöne Stadt ist Dylreen wirklich nicht, eigentlich ist es gar keine richtige Stadt, sondern eher eine Ansammlung von Bürgerhäusern, Handwerkerhütten und Bauerngehöften rund um die kleine, recht trutzig wirkende Burg auf dem Gipfel des Hügels, der die ansonsten flache Küstenlandschaft dominiert. Wohl ist es die sehr kompakte Bauweise, die der Burg das etwas düstere Aussehen gibt, das für Burgen in Borgon-Dyl sonst überhaupt nicht typisch ist. Doch mochte gerade das dazu beigetragen haben, daß die gefürchteten Piraten des Inneren Meeres, das sie selbst die Nirsee nennen, bisher keinen Versuch unternommen haben, die Handelsschiffe, die in dem kleinen, aber gut befestigten Hafen vor Anker liegen, zu überfallen, geschweige denn die Ortschaft zu plündern. Dies traurige Schicksal erleiden immer wieder die Küstenlande des Inneren Meeres, und der Kapitän eines jeden Schiffes, das die Insel Pathenaeh, den Schlupfwinkel diesen Abschaums der Meere, passieren muß, ist heilfroh, wenn er unbeschadet der Sichtweite dieses Eilandes entschwunden ist. Bei besonders klarem Wetter kann man die Umrisse Pathenaehs von der Burgwehr aus erahnen, doch hat noch keiner je gewagt, die Insel zu betreten, und die es doch taten, kehrten nie zurück.

Es war einer jener klaren Tage im Herbst des Jahres 357, als eine kleine Flotte wendiger Schiffe mit schwarzen Segeln sich von der Kontur der Insel löste und mit dem diktyschen Wind auf unsere Küste zuraste. Die Wimpel auf der Spitze des Bergfrieds signalisierten Alarmbereitschaft, und in der Ortschaft wurden fieberhaft alle nötigen Vorbereitungen getroffen, um einem möglichen Angriff von der See zu begegnen. Doch bald schon erkannten wir das eigentliche Ziel der Piraten: ein prächtiges Handelsschiff schob gerade seinen schwer beladenen Rumpf an der Spitze der Landzunge vorbei, die anthisch in das Meer hineinragt. Da es gegen den Wind manövrierte, mußte es noch eine gute Strecke aufs offene Meer - den Piraten entgegen - hinausfahren, um dann nach einer letzten Wende in den Hafen einfahren zu können. Darauf hatten die Schwarzsegel offenbar nur gewartet und hofften nun, das Schiff mitten in seinem Manöver abfangen und entern zu können, zumal sie erwarteten, daß wegen des Windes kein Schiff den Hafen verlassen und den Bedrängten zu Hilfe eilen könnte.

Ich hatte schon vor dem Morgengrauen damit begonnen, mein Schiff für die Ausfahrt mit der Abendebbe vorzubereiten. Die FERGONDE ist ein etwas behäbiger Segler, doch können die vierzig Ruderer seine Fahrt erheblich beschleunigen und weitgehend vom Wind unabhängig machen. Die Ladung von Getreide aus den Ebenen um Meeryn, meinen Heimathafen, und Bauholz aus dem nahe davon gelegenen Wald von Borgomyl war bereits gelöscht worden, und etwa die Hälfte der Ladung von Waren aus den Ländern des Ophis, hauptsächlich Schmiedearbeiten und edles Gestein, für die Dylreen wegen seiner günstigen Lage ein idealer Umschlagplatz ist, war bereits wieder verstaut, als wir Zeugen des geplanten Überfalls der Piraten wurden. Kurzerhand gab ich der Mannschaft Anweisung, an Bord zu gehen und in Schnellstzeit Gefechtspositon einzunehmen, und schon nach wenigen Minuten bewegte sich die FERGONDE unter den kraftvollen Schlägen der Ruderer auf die Hafenausfahrt zu.

Zur Vermeidung unliebsamer Begegnungen auf hoher See führe ich immer einen Vorrat an ölgetränkten Tuchballen mit, die hervorragende Brandgeschosse für die beiden Katapulte abgeben (eines ist an der Bugspitze und eines am Heck befestigt), was mir und meiner Mannschaft schon manches mal das Leben gerettet hat. Mein Plan war recht einfach. Wir wollten bis auf Schußweite an die Piraten heranrudern und dann ihre Segel in Brand schießen, in der Hoffnung, sie dadurch lange genug aufzuhalten, um dem Handelsschiff die Einfahrt in den Hafen freizuhalten. Also gaben die Ruderer alles, was in ihren Kräften stand, denn in spätestens einer halben Stunde würden die Piraten den Prachtsegler erreicht haben.

Wir waren gerade etwa eine Viertelstunde unterwegs und schon fast in Rufweite des bedrängten Schiffes, als aus der Richtung der Schwarzsegel plötzlich ein ohrenbetäubendes Sirren ertönte. Bald sahen wir auch dessen Verursacher. Ein etwa halbmastlanger baumdicker Schußbolzen kam direkt auf uns zugeflogen. Ich ließ sofort Segel setzen und in den Wind drehen, doch war es bereits zu spät, seiner Flugbahn auszuweichen. Mit einem Krachen traf das Geschoß den Hauptmast des Schiffes, der splitternd zerbarst. Balkentrümmer, Segelfetzen und gerissene Taue prasselten auf das Deck nieder. Der Oberteil des Mastes stürzte ins Meer und verfing sich dabei in den Tauen, die jetzt wirr durcheinander lagen, und sein Gewicht zog die FERGONDE in eine gefährliche Schräglage. In der allgemeinen Verwirrung trieb das Schiff steuerlos als Spielball des Windes dahin und auf die Klippen am Ende der Landspitze zu.

DylreenLandspitze

Dies ist die Landspitze vor Dylreen, auf deren Klippen die Fergonde unaufhaltsam zutrieb...

Die Lage schien ausweglos, doch war das Abtreiben in gewisser Hinsicht auch vorteilhaft, denn es brachte uns aus der Flugbahn eines unmittelbar nachfolgenden zweiten Geschosses heraus, das das Heck nur um wenige Fußbreit verfehlte und sich schäumend ins Meereswasser bohrte.

Unterdessen versuchten wir unter hektischen Anstrengungen, das Schiff von dem abgebrochenen Mast zu befreien, doch noch bevor unsere Bemühungen zum Erfolg führten, rollte einer der bereits in Brand gesetzten Tuchballen auf das Vorderdeck. Ein Seemann, der nicht rechtzeitig ausweichen konnte, fing Feuer und begann, als lebende Fackel, wild um sich schlagend, über das Deck zu rennen. Noch bevor er von jemandem aufgehalten werden konnte, war er über Bord gegangen. Wir haben ihn nie wieder gesehen... Das Feuer breitete sich über die herumliegenden Segelfetzen und Taue schnell über das Schiff aus, und in Panik suchten einige Seeleute ihre Rettung in einem kühnen Sprung in das Meer, während andere mit Eimern Wasser aus dem Meer zogen, um der Flammen Herr zu werden. Mit einer Schiffsaxt hieb ich auf die brennenden Taue ein, die den widerspenstigen Mast wie magisch an das Schiff gekettet hielten... Und plötzlich war das Feuer für kurze Zeit unser Verbündeter, denn die brennenden Taue waren so rissig geworden, daß sie nachgaben und der Mast mitsamt einem großen Knäuel aus Segeltuch, Holzbalken, Tauen und Flammen endgültig ins Meer abrutschte und unser Schiff freigab. Leider nahm er auch unseren Steuermann und zwei weitere Männer mit sich...

Durch den plötzlichen Ruck, mit dem sich das Schiff wieder aufbäumte, gingen noch drei Männer über Bord, und auch ich konnte mich nur dadurch auf dem Schiff halten, daß ich die Axt mit aller Macht in den Boden hieb und mich verzweifelt an ihrem Griff festhielt. Bisher ist es noch keinem gelungen, die Axt wieder aus dem sehr hartnäckigen Holz herauszuziehen, und so wird sie wohl für alle Zeiten als Andenken an jene Begebenheit dort stecken bleiben...

Gerade als sich das Schiff wieder aufgerichtet hatte, erreichten die ersten der in Unruhe geratenen Ruderer das Oberdeck, um die hier herrschende Verwirrung komplett zu machen. Zudem war das klippenbewehrte Ufer nur noch etwa sieben Schiffslängen entfernt, und die FERGONDE trieb unaufhaltsam darauf zu. Fast die Hälfte der Deckbesatzung war über Bord gegangen und trieb als hilfloser Haufen achterwärts im Meer. Doch gab es jetzt keine Möglichkeit, ihnen zu helfen. Daher ließ ich ihnen signalisieren, sie sollten versuchen, das nahe Ufer zu erreichen. Das Feuer an Bord war mittlerweile gelöscht worden, und ich dankte NORYTTON, daß das Holz, aus dem das Schiff gebaut ist, zu den widerstandsfähigsten Sorten gehört, denen ein Feuer erst bei sehr viel längerer Dauer etwas anhaben kann. Doch wie konnten wir nun den Klippen entkommen?..

In diesem Moment gefiel es wohl NORYTTON, seine Hand auf unser Schicksal zu legen. Der Wind drehte, und unter Ausnutzung des zwar etwas mitgenommenen, aber immer noch funktionstüchtigen Segels am unversehrt gebliebenen Vordermast gelang es uns, die FERGONDE auf Kurs aufs offene Meer zu bringen. Dort bot sich uns ein Bild des Grauens...

Etwa ein Dutzend Piratenschiffe hatten den Handelssegler zur Hälfte umringt und ließen aus ihren Mastkörben einen Pfeilhagel auf das Prunkschiff niedergehen. Dessen Besatzung suchte ihr Heil in der Flucht ins Meer, doch auch dorthin verfolgten sie die tödlichen Geschosse der Bogenschützen. Gerade drehte einer der Schwarzsegel auf Enterkurs, und ein zweites Schiff folgte ihm. Da ließ ich das Bugkatapult auf das vorausfahrende Schiff feuern. Wir profitierten offenbar davon, daß die Piraten uns verlorengegeben hatten und uns daher keine Beachtung mehr schenkten, so daß sie nicht wenig überrascht gewesen sein dürften, ausgerechnet aus dieser Richtung beschossen zu werden. So hatten sie nicht genügend Zeit, nachdem unser erstes Brandgeschoß wirkungslos ins Meer genau zwischen den beiden Piratenseglern niederging, ihren Kurs zu ändern, so daß das zweite Geschoß genau das Steuer des Anführerschiffes traf. Dieses legte sich quer und wurde von dem nachfolgenden breitseits gerammt. Weitere Geschosse trafen ihre Segel, und nach wenigen Minuten versanken die ineinander verkeilten Schiffe in einem flammenden Inferno, während die restlichen abdrehten und nach etwa einer halben Stunde am Horizont verschwunden waren.

Als wir das angegriffene Schiff erreichten, konnten wir noch fünf Seeleute aus den Fluten retten, doch etwa dreimal soviele Leichen trieben auf dem Wasser umher. In einem wilden Aufschrei machte sich die Wut über diese entsetzliche Untat Luft, doch auch das gab den Opfern ihr Leben natürlich nicht wieder. An Bord des Schiffes sah es nicht besser aus. Zwischen dutzenden Toten krümmten sich einige Schwerverletzte. Nur wenigen von ihnen konnte das Leben noch gerettet werden. Doch fanden wir auch etwas Erfreulicheres. In den Passagierkabinen hatten alle Insassen überlebt, unter ihnen auch die Besitzerin des Schiffes mit ihrer Familie. Ihre Tochter hat mir die wundersame Rettung mit ihrer treuen Liebe gedankt, die auch Jahre des Wartens auf meine Wiederkehr von meiner nächsten Reise, die auch meine letzte war, überdauert hat. Sie wurde danach meine Gemahlin und Stammutter unserer neuen Familie. Der Kapitän des Schiffes gehört zu denjenigen, die schwerverletzt überlebt haben, und er hatte das große Glück, nach langen Wochen der Genesung seine volle Gesundheit wiederzuerlangen. Heute fährt er als Kapitän auf der FERGONDE."


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