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=== III. Lord Tektols Traum ===
 
=== III. Lord Tektols Traum ===
   
Ähnlich mußten Graf Daktol von Miktonos und sein überlebender Sohn [[Dinalthaud]] empfunden haben, als sie nach Denalgê zurückkehrten. Der Graf von Miktonos war mit seinen Mannen dem Kaiser von Denalgê gefolgt, als dieser das denalgische Heer in ferne Lande führte, um die Finsternis zu bekämpfen. Das denalgische Hauptheer war größtenteils vernichtet worden, doch wie durch ein Wunder wurden die Ritter des Grafen weitgehend verschont. Zu den Toten, die die Grafschaft Miktonos zu beklagen hatte, gehörte unter anderen der älteste Sohn Graf Daktols, Xeytol. Doch trotz dieses glimpflichen Ausgangs der Schlacht von Pondaron für den Grafen von Miktonos dauerte es viele Jahre, bis er mit seinen Mannen wieder in die Heimat zurückgekehrt war, denn weit waren sie von Denalgê entfernt und wohin auch immer sie kamen, lag alles in Trümmern. Heerscharen von Flüchtlingen zogen durch Myra, und mehr als einmal mußten die edlen Herren ihr Leben verteidigen. Als sie schließlich in Miktonos ankamen, waren sie um die Hälfte dezimiert, und auch Kaytol, der Lieblingssohn des Grafen, hatte sein Leben lassen müssen. Daktol hatte dieser Verlust das Herz gebrochen, und als die Heimkehrenden mit Entsetzen feststellen mußten, daß es auch um Miktonos nicht besser bestellt war als um die Länder, die sie durchzogen hatten, erkrankte er. Nach kurzer Zeit verstarb er. Dinalthaud erbte das Land und ehelichte noch im Jahr seiner Ankunft [[Kaleysia von Kalensis]], die Erbin der versunkenen Grafschaft Kalensis. In den folgenden vier Jahren gebahr sie ihrem Gemahl vier Söhne: Aktol, Dyfhed, Arhylthaud und Tektol. Elf Jahre später, im Jahre [[22]] n.P., schenkte Kaleysia noch Zwillingen das Leben. Sie nannte ihre Töchter Nayrallyà und Diktallyà, von allen zärtlich Nayria und Yllia genannt. Dinalthaud wollte sich währenddessen nicht mit dem Zerfall Denalgês abfinden und zog durch das Land, um für den Wiederaufbau des Landes zu werben, während seine Gemahlin in Miktonos Anstrengungen unternahm, um genau diesen Traum in die Tat umzusetzen. Im Jahre [[39]] n.P. wurde der Einfluß [[Ulandyon Sândalyon]]s so stark, daß es ihm gelang, eine Streitmacht um sich zu sammeln, die versuchte, das soeben wiedererblühende Miktonos dem Erdboden gleichzumachen, denn, so war der Irrglaube Sândalyons, die Aufrechterhaltung der alten Ordnung würde ganz Denalgê in den Untergang stürzen. Dinalthaud konnte den Angriff auf Miktonos abwehren, doch er fiel in der entscheidenden Schlacht. Aktol wurde Erbe über das Reich, doch er war ein schwacher Mann und dem Druck der Zeit nicht gewachsen. Er schloß Frieden mit Sândalyon aus Angst vor weiteren Angriffen und begann, das Werk seiner Eltern zunichte zu machen, indem er Miktonos wieder zerfallen ließ (vgl. Garynion Draphenys ([[45]] n.P.): ”Das Leben Graf Daktols und seiner Nachkommen”. S. 97-378).
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Ähnlich mußten Graf [[Daktol]] von Miktonos und sein überlebender Sohn [[Dinalthaud]] empfunden haben, als sie nach Denalgê zurückkehrten. Der Graf von Miktonos war mit seinen Mannen dem Kaiser von Denalgê gefolgt, als dieser das denalgische Heer in ferne Lande führte, um die Finsternis zu bekämpfen. Das denalgische Hauptheer war größtenteils vernichtet worden, doch wie durch ein Wunder wurden die Ritter des Grafen weitgehend verschont. Zu den Toten, die die Grafschaft Miktonos zu beklagen hatte, gehörte unter anderen der älteste Sohn Graf Daktols, [[Xeytol]]. Doch trotz dieses glimpflichen Ausgangs der [[Schlacht von Pondaron]] für den Grafen von Miktonos dauerte es viele Jahre, bis er mit seinen Mannen wieder in die Heimat zurückgekehrt war, denn weit waren sie von Denalgê entfernt und wohin auch immer sie kamen, lag alles in Trümmern. Heerscharen von Flüchtlingen zogen durch Myra, und mehr als einmal mußten die edlen Herren ihr Leben verteidigen. Als sie schließlich in Miktonos ankamen, waren sie um die Hälfte dezimiert, und auch [[Kaytol]], der Lieblingssohn des Grafen, hatte sein Leben lassen müssen. Daktol hatte dieser Verlust das Herz gebrochen, und als die Heimkehrenden mit Entsetzen feststellen mußten, daß es auch um Miktonos nicht besser bestellt war als um die Länder, die sie durchzogen hatten, erkrankte er. Nach kurzer Zeit verstarb er. Dinalthaud erbte das Land und ehelichte noch im Jahr seiner Ankunft [[Kaleysia von Kalensis]], die Erbin der versunkenen Grafschaft Kalensis. In den folgenden vier Jahren gebahr sie ihrem Gemahl vier Söhne: [[Aktol]], [[Dyfhed]], [[Arhylthaud]] und [[Tektol]]. Elf Jahre später, im Jahre [[22]] n.P., schenkte Kaleysia noch [[Zwillinge]]n das Leben. Sie nannte ihre Töchter [[Nayrallyà]] und [[Diktallyà]], von allen zärtlich [[Nayria]] und [[Yllia]] genannt. Dinalthaud wollte sich währenddessen nicht mit dem Zerfall Denalgês abfinden und zog durch das Land, um für den Wiederaufbau des Landes zu werben, während seine Gemahlin in Miktonos Anstrengungen unternahm, um genau diesen Traum in die Tat umzusetzen. Im Jahre [[39]] n.P. wurde der Einfluß [[Ulandyon Sândalyon]]s so stark, daß es ihm gelang, eine Streitmacht um sich zu sammeln, die versuchte, das soeben wiedererblühende Miktonos dem Erdboden gleichzumachen, denn, so war der Irrglaube Sândalyons, die Aufrechterhaltung der alten Ordnung würde ganz Denalgê in den Untergang stürzen. Dinalthaud konnte den Angriff auf Miktonos abwehren, doch er fiel in der entscheidenden Schlacht. Aktol wurde Erbe über das Reich, doch er war ein schwacher Mann und dem Druck der Zeit nicht gewachsen. Er schloß Frieden mit Sândalyon aus Angst vor weiteren Angriffen und begann, das Werk seiner Eltern zunichte zu machen, indem er Miktonos wieder zerfallen ließ (vgl. Garynion Draphenys ([[45]] n.P.): ”Das Leben Graf Daktols und seiner Nachkommen”. S. 97-378).
   
 
In einem Brief von [[Retarphon Zêloton]], der im Jahre [[42]] n.P. an den Hof von Miktonos gekommen war, um dort seine Dienste anzubieten, an seine Frau liest man z.B. über die ungleichen Brüder Aktol und Tektol: ”(...) Ich habe nie verstanden, wie diese Männer Brüder sein konnten. Aktol mag ein guter Kämpfer sein, doch er ist einer der Männer, die einen starken Mann benötigen, dem sie folgen können. Allein ist er voll Furcht und Angst - man könnte fast sagen: feige. Auch ist sein Geist schwach, und ihm fehlt die Weitsicht, um uns in die Zukunft zu steuern. (...) Wie anders dagegen ist Tektol. Warum nur mußten die Götter einem Mann, der dazu verdammt ist, immer im Schatten seiner Brüder zu stehen, solche Gaben in die Wiege legen? Welche Verschwendung! (...) Wahrlich, ich sage Dir, meine Teuerste, Tektol ist zum Führen geboren. Noch nie habe ich solchen Mut, solche Stärke, solches Geschick, solche Geisteskraft, solche Weitsicht und solches Wissen über das Wesen und den Umgang mit Menschen in einem Mann vereint gesehen. (...) Schon seine äußere Erscheinung läßt die meisten Menschen in Ehrfurcht erstarren. Er ist groß, Liebes, und man erkennt in ihm sofort einen mächtigen Krieger, der es weiß, das Schwert zu führen. Seine Haare haben die Farbe der Sonne. Sein Profil ist edel, und sein Blick zwingt einen, den Kopf vor Demut zu senken. (...) Doch auch seine Taten enttäuschen nicht. Man sagt, er habe mehrmals mit seinem eigenen Leib den seines Vaters gegen Attacken des Feindes geschützt, und doch kann er so gut mit dem Schwert umgehen, daß er stets unverletzt aus solchen Angriffen hervorging. (...) Auch scheint ihm die Gabe gegeben zu sein, die Herzen der Menschen zu gewinnen und ihnen neue Hoffnung zu geben. (...) Wahrlich, meine Teuerste, er ist ein großer Mann. Warum kann er nicht Miktonos führen. Ihm würde ich folgen bis in den Tod, doch so werde ich wohl nicht mehr lange hier bleiben. (...)”
 
In einem Brief von [[Retarphon Zêloton]], der im Jahre [[42]] n.P. an den Hof von Miktonos gekommen war, um dort seine Dienste anzubieten, an seine Frau liest man z.B. über die ungleichen Brüder Aktol und Tektol: ”(...) Ich habe nie verstanden, wie diese Männer Brüder sein konnten. Aktol mag ein guter Kämpfer sein, doch er ist einer der Männer, die einen starken Mann benötigen, dem sie folgen können. Allein ist er voll Furcht und Angst - man könnte fast sagen: feige. Auch ist sein Geist schwach, und ihm fehlt die Weitsicht, um uns in die Zukunft zu steuern. (...) Wie anders dagegen ist Tektol. Warum nur mußten die Götter einem Mann, der dazu verdammt ist, immer im Schatten seiner Brüder zu stehen, solche Gaben in die Wiege legen? Welche Verschwendung! (...) Wahrlich, ich sage Dir, meine Teuerste, Tektol ist zum Führen geboren. Noch nie habe ich solchen Mut, solche Stärke, solches Geschick, solche Geisteskraft, solche Weitsicht und solches Wissen über das Wesen und den Umgang mit Menschen in einem Mann vereint gesehen. (...) Schon seine äußere Erscheinung läßt die meisten Menschen in Ehrfurcht erstarren. Er ist groß, Liebes, und man erkennt in ihm sofort einen mächtigen Krieger, der es weiß, das Schwert zu führen. Seine Haare haben die Farbe der Sonne. Sein Profil ist edel, und sein Blick zwingt einen, den Kopf vor Demut zu senken. (...) Doch auch seine Taten enttäuschen nicht. Man sagt, er habe mehrmals mit seinem eigenen Leib den seines Vaters gegen Attacken des Feindes geschützt, und doch kann er so gut mit dem Schwert umgehen, daß er stets unverletzt aus solchen Angriffen hervorging. (...) Auch scheint ihm die Gabe gegeben zu sein, die Herzen der Menschen zu gewinnen und ihnen neue Hoffnung zu geben. (...) Wahrlich, meine Teuerste, er ist ein großer Mann. Warum kann er nicht Miktonos führen. Ihm würde ich folgen bis in den Tod, doch so werde ich wohl nicht mehr lange hier bleiben. (...)”

Aktuelle Version vom 20. Dezember 2018, 13:34 Uhr

Denalgê - Legendäres Reich

Als Herkunftsreich der Menschen von Tektoloi und mancher umliegender Gebiete wird dieses Reich von vielen ausserhalb von Erendyra ins Reich der Sagen und Legenden verwiesen. Gebildete Bewohner Tektolois wie die Chronisten von Allenos gehen aber davon aus, dass es sich um ein mit der Schlacht von Pondaron untergegangenes Inselreich im späteren Karnicon gehandelt haben muss, während Chronisten im alten Silurien oder im einstigen Etrorien auf Alorr davon nichts zu berichten wissen, dass ein solcher Inselkontinent zwischen beiden gewesen und vergangen sein könnte.

Denalgil als Beweis[]

Da die Sprache von Denalgê, das Denalgil, sich im aus einer Invasion entsandenen Kaiserreich Tektoloi jedoch erhalten hat und als Allgemeine Sprache Erendyras auf diesem Inselkontinent verbreiteter ist als das die Allgemeine Sprache Myras, die in Tektoloi Muranil genannt wird, wird dies als Beweis einer von der myranischen Aussenwelt abgeschnittenen Herkunft genommen. In der FUM von Mairuvili geht man darum davon aus, dass Denalge wohl existiert hat, wenn auch nicht auf Myra, sondern sich bei seinem Untergang auf einer fernen Welt eines der Weltentore nach Myra geöffnet habe, das eben in der See von Karnicon mündete...

Die Legende: Auszug aus Denalgê[]

Vorwort[]

Nur wenige Generationen ist es her, daß wir in diesem Segment, das wir Erendyra nennen, angekommen sind, um dort die fruchtbaren Lande vorzufinden, die wir heute unsere Heimat nennen. So sehr waren wir damit beschäftigt, uns hier zurechtzufinden und unsere innere Einheit und äußere Sicherheit zu erhalten, so sehr wandten wir uns der Gegenwart und der Zukunft zu, daß die Vergangenheit immer mehr in Vergessenheit geriet. Die große Überfahrt existiert nur noch in den Geschichten, die wir unseren Kindern erzählen. Die Dokumente aus der Zeit der Reichsgründung verschwinden unter Bergen von Dokumenten in den kaiserlichen Archiven und in der Feste der Rhyalianda. Die Schriften und Briefe der Einwanderer sind größtenteils verloren, vermodert oder in alle Winde verstreut. Und nur wenige erinnern sich an unsere Herkunft, an das, was wir verloren, als wir uns auf die lange Reise nach Erendyra machten: Denalgê.

Denalgê, das verlorene Land, die Gründe, warum wir es aufgegeben haben, und die Gründung des Kaiserreiches Tektolois, die uns für diesen Verlust reichlich entschädigte, sollen das Thema dieses Aufsatzes sein. Es ist dringend notwendig, dieses Thema aufzuarbeiten, bevor es völlig in Vergessenheit gerät und die Quellen verloren sind. Die Quellen, auf die ich mich stütze, entstammen hauptsächlich den kaiserlichen Archiven und dem Material, das mir die Schwestern der Rhyalianda freundlicherweise zur Verfügung stellten. Zudem erlaubten mir auch einige der Fürsten Tektolois Einblick in die Korrespondenz ihrer Vorfahren und in ihre Familienchroniken. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Auch lassen unsere Legenden, Lieder und Märchen einige Schlüsse auf unsere Vergangenheit zu, wenn sie auch mit Vorsicht zu genießen sind. Ich habe mich soweit als möglich bemüht, die historische Wahrheit zu rekonstruieren, doch ist dies angesichts der Zahl der in den Wirren unserer Anfangsjahre zerstörten Quellen und angesichts der Tatsache, daß die Einwanderer praktisch keine schriftlichen Dokumente mit nach Tektoloi brachten, ein schwieriges Unterfangen. Insbesondere in bezug auf die Geschehnisse vor der Überfahrt und in bezug auf Denalgê lassen sich fast keine gesicherten Aussagen machen. Dies bleibe dem Leser bei der Lektüre der folgenden Abhandlung in Erinnerung.

Illyon Markykes, Kaiserlicher Historiker

im Jahre 190 n.P. zur Hauptstadt des großen Reiches Tektoloi, Miktonos

I. Denalgê vor Pondaron[]

Eine der wenigen gesicherten Tatsachen aus unserer Frühgeschichte ist, daß das Land, aus dem wir stammen, Denalgê war. Es lag im Stauros des Segmentes, das sich heute Karnicon nennt. Denalgê war ein wunderbares Land, ein fruchtbares Land. Zahlreiche Lieder und Balladen besingen seine fruchtbaren Ebenen, das ”heimische Gebirge” - ”Wryarth”, wie es in den Legenden genannt wird - und die sanften Wellen des Waretowen - interessanterweise trug das Meer, das die Ufer Denalgês umschäumte, denselben Namen, den die Einwanderer dem Meer, das Miktonos umgibt, gaben. Doch wie anders muß dieses Meer gewesen sein: Es hatte nichts Bedrohliches wie die Tiefsee, die an Tektolois Ufer grenzt. So findet sich in dem Tagebuch, das der eingewanderte Fischer Afrysyon Kafyrg seinem Enkel Yâol hinterließ, folgende Beschreibung: ”(...) Niemand, der in Tektoloi geboren wurde, kann sich die unvergleichliche Schönheit von Denalgês Ufern vorstellen. Sanft, wie sich einander umarmende Liebende, gingen Land und Meer ineinander über, während sich Land und Meer in Erendyra zu hassen scheinen. In Denalgê konnte man sich ohne Angst an den Ufern aufhalten, denn es gab keine Klippen, von denen man stürzen konnte, und es gab keine Ungeheuer, die aus dem Meer emporgeschossen wären. Wir konnten viele Tage hinaus auf das Meer fahren, um unsere Netze auszuwerfen, denn selbst im Winter gab es fast nie einen Sturm. Und auch der Handel, von dem die Küstenstadt Allennos lebte, war viel weniger beschwerlich, mußte man Schiffe doch nicht tiefseesicher bauen. (...)” (Bemerkenswert ist auch, daß eine der sechs Städte Denalgês ”Allennos” hieß - andere Quellen erzählen davon, daß Garoulion Phasnios, der Admiral der Flotte, die die Siedler von Denalgê nach Erendyra brachte, in der Küstenstadt Allennos geboren worden war und zu Ehren an seine alte Heimat das Fürstentum, das er zur Belohnung für seine Leistungen während der Übersiedelung erhielt, nach dieser Stadt zu benennen.)

Aus anderen Quellen wissen wir auch, daß das wirtschaftliche Leben Denalgês - wie auch seine Kultur - dem unseren sehr ähnlich gewesen sein muß. Die Menschen lebten vom Ackerbau, Handwerk, dem Handel und der Fischerei. Nur die Jagd reichte nicht zum Leben aus. So schreibt z.B. Zrys Garesis, einer der Händler, die in den Jahren nach der Landung das Festland Erendyras erkundeten, um neue Einnahmequellen zu finden, an seine Frau: ”Quandia, Du wirst es nicht glauben! Ich habe ein Gut gefunden, das uns reich machen wird! Es gibt hier riesige Wälder! Holz, Wild und Heilkräuter werden wir im Überfluß haben! Es ist kaum zu glauben! (...)” In der Tat schien Denalgê fast über keine Wälder zu verfügen, war doch fast jeder Zipfel des fruchtbaren Landes im Laufe der Jahrhunderte für den Ackerbau nutzbar gemacht worden.

Wie auch im heutigen Tektoloi waren die Städte für das wirtschaftliche Leben Denalgês zentral. Sie waren durch ein dichtes Netz von Handelsstraßen verbunden. Der denalgische Historiker Jéremyon Groyfis stellt in seinem 23 n.P. erschienenen Werk ”Religion und Politik in Denalgê” die Lage folgendermaßen dar: ”(...) Vor Pondaron zergliederte sich Denalgê in zwei Herzogtümer, drei Städte und vier Grafschaften. Hinzu kam die Hauptstadt, Denar, die das Zentrum des Reiches bildete. Denar war der Sitz des Kaisers. (...)” (S.32) Wiederum ist interessant, welche Parallelen es zwischen der denalgischen und der tektolonischen Politik gab: Auch in Denalgê wurde der Kaiser von den Fürsten auf Lebenszeit gewählt, und nach seiner Krönung schuldeten sie ihm die Treue. Auch hier waren die Fürstentitel und die damit verbundenen Rechte erblich, und jedes Fürstentum hatte seine eigenen Erbrechte. Ein entscheidender Unterschied war, daß, bedingt durch die Lage der Hauptstadt, das Kaiserreich Denalgê sehr viel einheitlicher war und der Kaiser sehr viel mehr Kontrolle über die einzelnen Landesteile hatte.

So liest man weiter bei Groyfis: ”(...) Um Denar herum lagen die Fürstentümer und schlossen die Hauptstadt so ein, daß von keinem Ort des Reiches die Reise zur Hauptstadt weiter gewesen wäre als von einem anderen. Diese Einheit spiegelte die Einheit des Einen wider. (...) Die Zahl der Städte Denalgês betrug denn auch sechs, einschließlich der Hauptstadt, und auch hier spiegelte sich unsere Religion wider: Denar als Ganzes war Aene geweiht, dem Einen, der die Ganzheit der Welt in sich vereint und der über den Dingen steht. Jede der übrigen Städte war einer der fünf Gottheiten geweiht: In den Bergen thronte Tàtàya, die Lichte, die Erainn gehörte. Sie bestand völlig aus weißem Marmor, und die großen Tempel waren aus Gold. Man konnte die leuchtenden Tempel Erainns in ganz Denalgê sehen, denn ihr Standort war geschickt gewählt worden. Tàtàya war das Zeichen dafür, daß Erainn über uns wachte, damit wir ewig im Licht wandeln sollten. (...) Ebenfalls in den Bergen, doch tief versteckt in einem fruchtbaren Tal, fand sich Thalayos, die Stadt der Weisheit. Die Thalis-Tempel von Thalayos waren Zentren der Magie und der Heilkunde, und zahlreiche Weise strömten in diese Stadt, um das zu enthüllen, was den meisten Menschen im Verborgenen bleibt. (...) Die Akademien von Pollathis, der Stadt, die im Zeichen des Gottes der Gelehrsamkeit stand, zogen dagegen Ströme von Wißbegierigen an, um im Vorbereitenden Seminar des Lesens und Schreibens Herr zu werden oder um an der Akademie der Philosophie, der Akademie des Rechts oder der Akademie der Natur die Meisterschaft in einem Fach zu erringen. (...) Frûctàya dagegen war Generian, dem Gott der Fruchtbarkeit und Landwirtschaft geweiht. Diese Stadt lag wie Pollathis in den Ebenen Denalgês, und es gibt zahlreiche Berichte, daß Frûctàya wie ein blühender Garten war, der unter dem Auge des Gottes wuchs und gedieh wie nichts sonst auf Myra. (...) Die einzige Stadt, die keinen Tempel beherbergte, war Allennos, die Stadt Mannannans. Dies war auch nicht notwendig, denn man sagt, der Tempel Mannannans sei das Meer. (...)” (S. 40-68)

II. Der Fall Denalgês[]

So stellt Groyfis die Situation in Denalgê vor Pondaron dar, und es wird deutlich, daß Denalgê ein blühendes Land war, das in seinen Strukturen dem heutigen Tektoloi sehr ähnlich war. Denalgê war ein Zentrum des Wissens und der Weisheit und lebte seit Jahrhunderten in Frieden mit seinen Nachbarn. Doch dann kam Pondaron, und Denalgê mußte den Konflikt zwangsweise anziehen, war doch der Glaube an das Licht zutiefst in seiner Kultur verwurzelt. Und so muß Denalgê eines der Länder gewesen sein, auf denen der Kampf alles Lebenden gegen seine Vernichtung durch das Nichts tobte. Furchtbar muß der Kampf gewesen sein, doch bleibt uns Genaueres verborgen, wird doch in allen Quellen auf das Hauptwerk von Groyfis, ”Kampf um Denalgê. Bericht über die Schlachten um Pondaron” verwiesen, das jedoch nicht in den Archiven auffindbar ist. Wir wissen lediglich, daß Denalgê den Angriffen des alles Verneinenden recht wehrlos ausgesetzt war, da das Hauptheer seinen Verbündeten zur Hilfe geeilt war, weil man sich sicher wähnte. So mußten die Zurückgebliebenen allein mit Hilfe der Götter den Kampf bestehen, wobei diese auf ganz Myra den Gläubigen helfen mußten. Wie durch ein Wunder konnte die Finsternis zurückgedrängt werden, doch hatten die Kämpfe ihren Preis gekostet: Denalgê lag in Schutt und Asche. Alle Tempel und Städte waren zerstört. Allennos und die Grafschaften Wanyrîa und Kalensis waren im Meer versunken. Die Felder waren zertrampelt, verbrannt und so sehr verwüstet, daß viele auf immer unfruchtbar waren. Tausende von Menschen waren obdachlos. Der Kaiser und die wichtigsten Adligen waren gefallen. Die Priester der Götter hatten zum größten Teil diese Welt verlassen, und auch fast alle mächtigen Magier waren tot oder hatten sich zurückgezogen (vgl. Raffàel Synôrg (17 n.P:): ”Die verlorenen Lande”. S. 403-470).

Die Lage war trostlos, ja nahezu hoffnungslos. Die Verwüstung der Felder hatte die Ernährungsbasis des Volkes von Denalgê zerstört, und Jahr für Jahr dezimierten schwere Mißernten die Bevölkerung Denalgês. Durch Unterernährung und den Tod der meisten Heiler brachen schon vergessen geglaubte Seuchen wieder aus. Hungernde Menschenhorden zogen durch die Lande und plünderten die wenigen Felder, die noch bebaut werden konnten: Denalgê hatte den Sturm des Nichts abgewehrt, aber seine jahrhundertealte Ordnung war zusammengebrochen (vgl. Synôrg (17 n.P.): S. 120-358).

Und so stellte sich auch die Frage, wie es weiter gehen sollte. Dabei taten sich ziemlich schnell zwei Fraktionen auf: Die eine war für den Wiederaufbau der alten Kultur. Sie war insbesondere im Hochadel sehr stark vertreten. Doch die Mehrheit der Bevölkerung sah im Fall des alten Kaiserreiches eine Strafe der Götter für übermäßigen Genuß und Überheblichkeit. Sie glaubten, die Götter wollten, daß sich das Volk Denalgês von den alten Lebensweisen abwenden und ein neues Leben beginnen sollte. Zunächst schien es, als ob sich der Adel durchsetzen konnte, doch es zeigte sich immer mehr, daß ihm kein Vertrauen mehr entgegengebracht wurde, weil er in der Zeit der Schlachten um Denalgê größtenteils abwesend war. Stattdessen gewann die zweite Fraktion, deren Hauptvertreter der charismatische wandernde Erainnpriester Ulandyon Sândalyon war, immer mehr die Oberhand. Bereits im Jahre 21 n.P. beklagt sich der ehemalige Stadtverwalter von Denar, Okroy Fermol in einem Brief an seinen Schwager: ”(...) Das Land verfällt. Die Menschen bestellen die Felder nicht mehr. Sie arbeiten nicht mehr. Sie zahlen keine Steuern mehr, und sie besuchen die Akademien nicht mehr. Es ist ein Wunder, daß sie überhaupt noch etwas zu essen finden, denn sie leben von der Hand in den Mund. Statt ihre Häuser wieder aufzubauen, haben viele begonnen, sich ein paar Tiere zu halten, zu den wenigen Stellen zu reisen, wo etwas wächst, um diese Tiere dort zu weiden, und dann weiterzuziehen. Tausende von Familien reisen so umher, und sie tragen ihr Hab und Gut mit sich. Auch die meisten Handwerker haben sich Karren zugelegt, auf denen sie ihre Werkstätten transportieren. Wenn es ihnen irgendwo zu brenzlig wird, reisen sie schnell weiter. Jeder hat auch inzwischen Waffen, denn auf den Schutz eines Adligen mag sich keiner mehr verlassen. ‘Sie konnten uns ja auch nicht bei Pondaron helfen’, heißt es, wenn man sie fragt. Selbst Tempel auf Karren gibt es inzwischen, denn das Risiko, einen Tempel an einem Ort zu bauen, an dem demnächst Krieg ausbricht, mag keiner eingehen. Welch ein Rückschritt! Und das Schlimmste ist, daß sie, wenn man sie fragt, ob sie nicht lieber die Städte wiederaufbauen wollen, oft antworten: ‘Welche Städte?’ Begreifst Du? Sie erinnern sich teilweise nicht einmal mehr an Denalgê, wie es war! Was ist bloß aus uns geworden? (...)”

III. Lord Tektols Traum[]

Ähnlich mußten Graf Daktol von Miktonos und sein überlebender Sohn Dinalthaud empfunden haben, als sie nach Denalgê zurückkehrten. Der Graf von Miktonos war mit seinen Mannen dem Kaiser von Denalgê gefolgt, als dieser das denalgische Heer in ferne Lande führte, um die Finsternis zu bekämpfen. Das denalgische Hauptheer war größtenteils vernichtet worden, doch wie durch ein Wunder wurden die Ritter des Grafen weitgehend verschont. Zu den Toten, die die Grafschaft Miktonos zu beklagen hatte, gehörte unter anderen der älteste Sohn Graf Daktols, Xeytol. Doch trotz dieses glimpflichen Ausgangs der Schlacht von Pondaron für den Grafen von Miktonos dauerte es viele Jahre, bis er mit seinen Mannen wieder in die Heimat zurückgekehrt war, denn weit waren sie von Denalgê entfernt und wohin auch immer sie kamen, lag alles in Trümmern. Heerscharen von Flüchtlingen zogen durch Myra, und mehr als einmal mußten die edlen Herren ihr Leben verteidigen. Als sie schließlich in Miktonos ankamen, waren sie um die Hälfte dezimiert, und auch Kaytol, der Lieblingssohn des Grafen, hatte sein Leben lassen müssen. Daktol hatte dieser Verlust das Herz gebrochen, und als die Heimkehrenden mit Entsetzen feststellen mußten, daß es auch um Miktonos nicht besser bestellt war als um die Länder, die sie durchzogen hatten, erkrankte er. Nach kurzer Zeit verstarb er. Dinalthaud erbte das Land und ehelichte noch im Jahr seiner Ankunft Kaleysia von Kalensis, die Erbin der versunkenen Grafschaft Kalensis. In den folgenden vier Jahren gebahr sie ihrem Gemahl vier Söhne: Aktol, Dyfhed, Arhylthaud und Tektol. Elf Jahre später, im Jahre 22 n.P., schenkte Kaleysia noch Zwillingen das Leben. Sie nannte ihre Töchter Nayrallyà und Diktallyà, von allen zärtlich Nayria und Yllia genannt. Dinalthaud wollte sich währenddessen nicht mit dem Zerfall Denalgês abfinden und zog durch das Land, um für den Wiederaufbau des Landes zu werben, während seine Gemahlin in Miktonos Anstrengungen unternahm, um genau diesen Traum in die Tat umzusetzen. Im Jahre 39 n.P. wurde der Einfluß Ulandyon Sândalyons so stark, daß es ihm gelang, eine Streitmacht um sich zu sammeln, die versuchte, das soeben wiedererblühende Miktonos dem Erdboden gleichzumachen, denn, so war der Irrglaube Sândalyons, die Aufrechterhaltung der alten Ordnung würde ganz Denalgê in den Untergang stürzen. Dinalthaud konnte den Angriff auf Miktonos abwehren, doch er fiel in der entscheidenden Schlacht. Aktol wurde Erbe über das Reich, doch er war ein schwacher Mann und dem Druck der Zeit nicht gewachsen. Er schloß Frieden mit Sândalyon aus Angst vor weiteren Angriffen und begann, das Werk seiner Eltern zunichte zu machen, indem er Miktonos wieder zerfallen ließ (vgl. Garynion Draphenys (45 n.P.): ”Das Leben Graf Daktols und seiner Nachkommen”. S. 97-378).

In einem Brief von Retarphon Zêloton, der im Jahre 42 n.P. an den Hof von Miktonos gekommen war, um dort seine Dienste anzubieten, an seine Frau liest man z.B. über die ungleichen Brüder Aktol und Tektol: ”(...) Ich habe nie verstanden, wie diese Männer Brüder sein konnten. Aktol mag ein guter Kämpfer sein, doch er ist einer der Männer, die einen starken Mann benötigen, dem sie folgen können. Allein ist er voll Furcht und Angst - man könnte fast sagen: feige. Auch ist sein Geist schwach, und ihm fehlt die Weitsicht, um uns in die Zukunft zu steuern. (...) Wie anders dagegen ist Tektol. Warum nur mußten die Götter einem Mann, der dazu verdammt ist, immer im Schatten seiner Brüder zu stehen, solche Gaben in die Wiege legen? Welche Verschwendung! (...) Wahrlich, ich sage Dir, meine Teuerste, Tektol ist zum Führen geboren. Noch nie habe ich solchen Mut, solche Stärke, solches Geschick, solche Geisteskraft, solche Weitsicht und solches Wissen über das Wesen und den Umgang mit Menschen in einem Mann vereint gesehen. (...) Schon seine äußere Erscheinung läßt die meisten Menschen in Ehrfurcht erstarren. Er ist groß, Liebes, und man erkennt in ihm sofort einen mächtigen Krieger, der es weiß, das Schwert zu führen. Seine Haare haben die Farbe der Sonne. Sein Profil ist edel, und sein Blick zwingt einen, den Kopf vor Demut zu senken. (...) Doch auch seine Taten enttäuschen nicht. Man sagt, er habe mehrmals mit seinem eigenen Leib den seines Vaters gegen Attacken des Feindes geschützt, und doch kann er so gut mit dem Schwert umgehen, daß er stets unverletzt aus solchen Angriffen hervorging. (...) Auch scheint ihm die Gabe gegeben zu sein, die Herzen der Menschen zu gewinnen und ihnen neue Hoffnung zu geben. (...) Wahrlich, meine Teuerste, er ist ein großer Mann. Warum kann er nicht Miktonos führen. Ihm würde ich folgen bis in den Tod, doch so werde ich wohl nicht mehr lange hier bleiben. (...)”

Doch Retarphon Zêloton blieb wie auch viele andere, die nicht geneigt waren, Aktol zu folgen. Zu ihnen gehörten auch die miktonesischen Lordritter Chelderan Mitranos und Lerôzon Philliarq. Denn Lord Tektol bewegte sie mit seinen Visionen zum Dableiben. Zahlreichen Briefen über, an und von Lord Tektol können wir entnehmen, daß er zunächst wie seine Eltern Denalgê wieder aufbauen wollte. Er versuchte seinen Bruder und das miktonesische Volk hierfür zu gewinnen, doch er stand auf verlorenem Posten. Zwar scharten sich um ihn viele Menschen, die wie er daran glaubten, daß die alte Ordnung gut gewesen war und daß gerade sie Denalgê vor dem völligen Untergang bewahrt hatte, doch die Masse des denalgischen Volkes dachte anders.

Als Lord Tektol erkannte, daß die alte Kultur Denalgês untergehen würde, weil das denalgische Volk nicht mehr an sie glaubte, suchte er nach anderen Möglichkeiten. Und diese fand er ausgerechnet im Gatten seiner Schwester Diktallyà.Diktallyà hatte immer unter dem Chaos nach der Schlacht um Denalgê und den ungebildeten Menschen, die ihm frönten, gelitten. Dann kam eines Tages Sendaris von Nalchsiteû aus geschäftlichen Gründen nach Miktonos. Er war der Sohn des reichen LandedelmannesEtylion von Nalchsiteû. Dieser hatte schon früh die Zeichen der Zeit erkannt und seinen Sohn zum Händler ausbilden lassen. Sendaris war schon damals, als er noch sehr jung war, ein gebildeter und extrem kluger Mann. Auch er träumte von der alten Ordnung Denalgês, da diese den Denalgêsen Wohlstand und Frieden gebracht hatte. Er erzählte Diktallyà viel von den alten Tagen, und sie verliebte sich in ihn. Als er weiterzog, folgte sie ihm heimlich, und sie fanden einen Erainn-Priester, der sie 41 n.P. traute. Kaleysiavon Miktonos war sehr wütend über den Ungehorsam, doch sie brachte es nicht fertig, ihre Tochter zu verstoßen. Als Sendaris im Jahre 45 n.P. mit der Handelsflotte seines Vaters aufbrach, um neue Absatzgebiete für denalgische Produkte zu finden, nahm Kaleysia ihre Tochter wieder bei sich auf (vgl. Zraydolion Troyandion (87 n.P.): ”Kaiser Sendaris” S. 42-102).

Auch Lord Tektol war nicht begeistert über die Heirat seiner Schwester, wie z.B. aus seinem Brief an seine Schwester Nayria zu entnehmen ist, den er verfaßte, als Sendaris im Jahre 49 n.P. zurückkam und von seiner sensationellen Entdeckung berichtete: ”Meine Teure, daß ausgerechnet dieser Sendaris die Lösung für unserer Probleme bringt! Wer hätte das gedacht? Doch ich muß sagen, meine Liebe, daß er mich angenehm überrascht hat. Er ist zwar kein Mann des Schwertes, doch verfügt er über einen wachen Geist, einen Glauben an die Götter und den Mut, der es ihm erlaubte, die Entdeckung zu machen, von der uns gestern berichtete. Du wirst es nicht glauben, meine Teure: Sendaris’ Handelsflotte entdeckte ein neues, unbewohntes Land. Niemand scheint dort zu wohnen, obwohl es äußerst fruchtbar ist. Es ist kaum zu glauben, daß es noch einen solchen Flecken auf Myra geben soll. Dort könnten wir hingehen, und Denalgê wieder so aufbauen, wie wir es kannten, ohne auf all die Zweifler achten zu müssen, die unser schönes Land völlig in den Ruin ziehen. Es besteht also doch noch Hoffnung. (...) Das Seltsamste ist, Sendaris berichtete von einem Mann, der an der Stelle, an der die Schiffe landeten, auf sie zu warten schien und sie begrüßte mit den Worten: 'Ich fürchtete schon, ihr kämet nicht mehr, kühne Reisende aus Denalgê.' Als ob so weit von der Heimat jemand unser Land kennen würde! Und nicht genug mit dem Sonderbaren - er übergab Sendaris auch noch eine Krone, ein Meisterwerk der Schmiedekunst. Du mußt sie Dir unbedingt anschauen, wenn Du das nächste Mal kommst! Der Mann teilte Sendaris mit, daß die Krone die würdige Insignie des Kaisers des neuen Reiches, das dort gegründet werde, sei, denn der Meisterschmied Deimich-Saîm habe sie unter Einsatz seines Lebens angefertigt. Dann teilte er Sendaris mit, er solle in die Heimat zurückkehren und Siedler für dieses neue Land holen. Er ließ seinen Vetter Chârtheysis in dem fremden Land zurück, um einen geeigneten Siedlungsplatz zu suchen, und kehrte sofort mit den beiden restlichen Schiffen hierher zurück. (...) Das neue Land scheint nur auf uns zu warten! Wir brauchen nur einen Mann finden, der eine Siedlungsflotte dorthin führen und auf dieser Reise beschützen kann. Denn Sendaris berichtete uns auch, daß die See immer stürmischer wird, und es soll viele Ungeheuer geben, die sie heimsuchen. Es scheint, als ob der große Mannannan große Teile des Meeres an das Nichts verloren hat. Zudem hat Sendaris Berichte gehört, daß ein finsterer Gott die Reise zwischen den Segmenten immer stärker behindert. (...)” Lord Tektol faßte offenbar direkt nach dieser Nachricht Sendaris’ den Beschluß auszuwandern. Es gab genügend Menschen, die eine Reise ins Ungewisse dem Zerfall Denalgês vorzogen, und Lord Tektol fand schnell Männer, die bereit waren, einen solchen Siedlerstrom unter ihm zu führen. Es ist übrigens bis heute ungeklärt, wer der Mann war, der Sendaris empfing. Es wird jedoch stark vermutet, daß es der erhabene Hüter Philaias selbst war.

Sendaris und seine Frau wollten auf jeden Fall in das neue Land. Er wollte den Siedlern den Weg weisen, und bei der Planung der weiten Reise stellte sich bald heraus, daß Lord Tektol und sein Schwager mehr gemein hatten, als man auf den ersten Blick von einem Grafensohn und einem Händlersohn annehmen konnte. Sie teilten ihren Glauben an die denalgische Kultur, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Obwohl sie es nie zugaben, so verbanden sie doch bald die festen Bande der Freundschaft (vgl. Zraydolion Troyandion (87 n.P.): S. 264-298).

Auch die bereits erwähnten edlen Herren Retarphon Zêloton, Chelderan Mitranos und Lerôzon Philliarq waren dankbar für die Gelegenheit, endlich dem Mann zu folgen, der ihrer Meinung nach für eine bessere Zukunft stand. Zêloton wurde auch prompt die Führung der Fußtruppen übertragen, denn er hatte sich als ein mächtiger Krieger und charismatischer Führer erwiesen. Schnell hatte Lord Tektol auch einen Offizier für die Siedlungsflotte gefunden. Im Jahre 50 n.P. erhielt Lord Tektol einen Brief von Garoulion Phasnios, einem erfahrenen Seemann, der in Allennos geboren worden war: ”(...) Hochwürdiger Herr, mir ist zu Ohren gekommen, daß Ihr in ein neues, weit entferntes Land aufbrechen wollt, um dort ein neues Denalgê aufzubauen, das dem alten würdig ist. Auch sagte man mir, daß Ihr noch einen Admiral sucht, der fähig ist, eine große Flotte zu lenken. (...) Nun, ich möchte Euch meine Dienste anbieten. Denn auch ich habe nichts mehr hier, was mich hält. Allennos, die Schöne, ist im Meer versunken, und der Rest Denalgês scheint vergessen zu haben, was wir einmal waren. (...) Mein Vater führte die allennosische Flotte in der Großen Schlacht an, und als er verstarb, führte ich unsere Flotte sicher über die Wirren des Meeres. Ich kann also von mir mit Recht sagen, daß ich über die Erfahrung verfüge, die Ihr benötigt.” Garoulion Phasnios stellte sich bald darauf Lord Tektol vor. Er war ein fähiger, aber auch harter und stolzer Mann. Vor Lord Tektol empfand er eine tiefe Achtung, und dieser wußte seine Fähigkeiten zu schätzen. Doch es stellte sich auch bald heraus, daß Sendaris und Garoulion Phasnios nie Freunde sein würden. Dasselbe galt übrigens auch für das Verhältnis von Sendaris und Retarphon Zêloton. Sendaris hielt die beiden Männer für engstirnig und brutal, letztere ersteren für schwach und weich (vgl. Zraydolion Troyandion (87 n.P.): S. 178-201; 299-390). Schließlich schloß sich Lord Tektol auch noch ein Mann an, dessen Unterstützung des Siedlungsprojektes für die Auswanderungswilligen völlig unerwartet war: Ygmallion Phrenetilaîos, der Heerführer der sich nach und nach auflösenden denalgischen Ritterschaft. Phrenetilaîos hatte wie Lord Tektols Eltern vergeblich gegen den Zerfall Denalgês gekämpft. Als seine Schwester Oroyntîa, Lord Tektols Tante, ihm von den Plänen des Lords erzählte, war er begeistert. Er soll nach Miktonos gekommen sein und dem Lord gesagt haben: "Endlich ein junger Mann, dessen Herz nicht in der Schlacht von Pondaron verloren ging!" (vgl. Diktallyà von Miktonos (75 n.P.): "Erinnerungen". S. 134-137)

Trotz der großen Zahl der Anhänger, die Lord Tektol für die Reise gewinnen konnte, fehlte ihm nach fast zwei Jahren immer noch eins: ein Magier, der fähig war, die Flotte auf der Reise zu beschützen. Doch die meisten Magier Denalgês waren in den Schlachten von Pondaron ums Leben gekommen, und die übrigen schienen nicht die benötigten Fähigkeiten zu haben. Es schien, als ob Tektols Traum hieran scheitern sollte.

IV. Intaladras und Rhyalianda[]

Wie wir wissen, fand Lord Tektol schließlich doch einen Magier, der die Siedler schützte, oder vielleicht sollte man besser sagen: Dieser Magier fand ihn, denn der große Intaladras erschien schließlich in Miktonos, als Lord Tektol schon fast aufgegeben hatte. Es stellt sich also die Frage, warum Intaladras solange wartete, bis er erschien, oder vielleicht besser: warum er überhaupt erschien. Wir alle kennen die großen Legenden um den größten aller Magier, die noch heute von den Barden erzählt werden, und in ihnen ist, so scheint es, vergleicht man sie mit alten Quellen, ein großer Wahrheitsgehalt enthalten. Am nächsten an dem, was damals tatsächlich geschehen ist, scheint der "Intaladras-Zyklus" zu sein, der jedes Jahr von den Schwestern der Rhyalianda anläßlich des Großen Erainnfestes vorgetragen wird. Deshalb möchte ich nun eine der berühmtesten Stellen dieses Zyklus zitieren:

”(...) Intaladras, der Große, blickte auf die Ruinen Thalayos’, seiner Stadt, der Stadt der Weisheit. Uralt war er schon. Viel hatte er gesehen. Seine Weisheit übertraf das, was die meisten Männer in vielen Menschenaltern lernen konnten. Und er war stark und mächtig, denn Thalis hatte ihn auserwählt. Nicht ohne Grund war er zum Hüter der Stadt gewählt worden, und mit Mut und Kühnheit hatte er in die Zukunft gesehen. Nie gebrochen war sein Glaube an eine Zukunft, in der sich die Welt besser zu der Einheit zusammenfügte, für die der Eine sie bestimmt hatte. Stark und klar war Intaladras’ Geist geblieben, als er die Zeichen des sich anbahnenden Nichts, das alles Leben zerstören wollte, sah. Ohne Furcht war er geblieben, als die verblendeten Verehrer des Nichts Leben, Licht und Ordnung zu zerstören suchten. Ohne Zweifel hatte er seine Lehrmeister, Mitbrüder und Schüler überzeugt, daß sie gegen die einbrechende Finsternis kämpfen mußten, wollten sie nicht mit allem, was ihnen teuer war, vergehen. Ungebrochen war Intaladras geblieben, als seine Lehrmeister, Mitbrüder und Schüler, die er in den Kampf geführt hatte, einer nach dem anderen fielen, bis er der einzige war, der übrigblieb, die Rettung Denalgês mitzuerleben. Nicht gewankt hatte er, als er Thalayos in Trümmern sah. Was ihn brach, waren nicht die grausamen Schläge des Schicksals. Was Intaladras brach, war die Hoffnungslosigkeit der Menschen, für die Thalayos gestorben war. Und Tränen rannen ihm über das Gesicht, als er auf die Ruinen Thalayos’ blickte, die wohl immer Ruinen bleiben würden.

Mit der Hoffnungslosigkeit schwand Intaladras’ Kraft, und er wußte, daß er bald sterben würde. Dann erschien sie ihm - die Reine, die Unberührte, die Unumstößliche. Sie, die wußte, was Ordnung und Licht ist. Sie, die an die Zukunft glaubte. Intaladras erblickte Rhyaliandas überirdisches Gesicht, ihre Anmut, ihre Weisheit, und sein Herz entflammte. In ihr hatte er seine Meisterin gefunden. Sie gab ihm Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit, und für sie wurde er wieder jung und stark. Ihr folgte er in die neue Welt (...)”

Alle Quellen berichten davon, daß IntaladrasRhyalianda aus Liebe folgte, wohl wissend, daß sie ihm auf immer verwehrt bleiben würde. In seinem Tagebuch vermerkte er einmal: ”(...) Man könnte mich belächeln, daß ich so verblendet bin, einer Göttin hinterherzulaufen, und dazu noch einer, die sich niemals einem Mann hingeben wird. Doch habe ich es nicht immer vorgezogen, der Perfektion nachzujagen, als Halbheiten in der Hand zu halten? Und wer weiß? Vielleicht liebe ich ja die Ideale, die sie verkörpert, mindestens genauso wie sie selbst?” (73 n.P.). Seltener berichtet wird, aber um so bemerkenswerter ist, daß es Anzeichen gibt, daß Rhyalianda Intaladras’ Liebe erwiderte. In den ”Lehrbüchern der Rhylianda”, die die Gespräche Rhylianda mit ihrer Schülerin Rhyadalia dokumentieren, liest man an einer Stelle: ”Frage: ‘Meine Herrin und Meisterin, zerstört es unsere Macht, wenn wir einen Mann begehren?’ Antwort: ‘Nein. Im Gegenteil. Das Begehren stärkt uns. Denn nur dadurch, daß wir etwas begehren, wissen wir, was wir verlieren, wenn wir es uns versagen. Und aus diesem Wissen um unseren Verlust ziehen wir unsere Macht.’” (Ausgabe von 112 n.P.: S. 56).

V. Die große Reise und Gründung des Kaiserreiches[]

Im Jahre 51 n.P. stellte IntaladrasLord Tektol seine und die Dienste seiner Schüler Quelnidor Chellôron und Kantaladras Alîchyon zur Verfügung. Danach ging alles sehr schnell, denn Lord Tektol und Sendaris waren schon vorbereitet. So brach dann die erste Siedlungsflotte noch im selben Jahr auf. Über zwei Jahre dauerte die Reise, und vielen Gefahren waren die Reisenden ausgesetzt, die sie dank Intaladras’ Schutz und der Erfahrung Garoulion Phasnios’ unbeschadet bestanden (Näheres hierzu lese man nach in Kallôrgyon Pâmyrg (107 n.P.): ”Die große Reise: Auszug aus Denalgê”.).

Im Frühjahr des Jahres 53 n.P. erreichten die Siedler endlich das neue Land, das wir heute Tektoloi nennen. Es ist bis heute unklar, wie groß die Zahl der Siedler war. Es waren von Anfang an vier Siedlungswellen geplant. Die Flotte sollte jeweils nur die Siedler ein- bzw. ausladen, doch schon die erste Siedlungswelle brachte die gesamte Planung durcheinander.

Die zurückgebliebenen Händler hatten unter der Führung von Chârtheysis bereits die Umgebung erkundet und dabei festgestellt, daß das Land, auf dem sie gelandet waren und das sie zu Ehren ihrer alten Heimat Miktonos getauft hatten, eine Insel war. Im Peristera der Insel Miktonos befand sich offensichtlich ein Kontinent, der von einem hohen Gebirge eingeschlossen war. Nur an einer Stelle fanden sie einen Zugang in das Binnenland, und dort taten sich ihnen fruchtbare Ebenen ähnlich denen Denalgês auf. So wurden bei der Landung die Siedler aufgeteilt: Ein Teil von ihnen gründete unter der Leitung Sendaris' am Ort der Landung die Stadt Miktonos, die Zentrum des neuen Reiches werden sollte. Lord Tektol begann mit einigen Rittern, die Insel Miktonos zu erkunden. Ein weiterer großer Teil der Siedler begann, unter dem Schutz der Ritterschaft, Fußtruppen und Quelnidor Chellôrons das Festland zu besiedeln. Währenddessen wurde Garoulion Phasnios mit der Flotte losgeschickt, um weitere Zugänge zum Festland zu suchen, während sein Sohn Geromiyo für ihn Land in Besitz nahm. Im Herbstberichteten Siedler, die sich im Machairas nahe dem Fremden Wald der Insel Miktonos niedergelassen hatten, von seltsamen Wesen, die aus dem Wald gekommen waren und Kinder, unschuldige Mädchen und sogar erwachsene Männer in den Wald lockten. Wer einmal im Wald verschwunden war, kehrte nie wieder zurück. Lord Tektol beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Zusammen mit seinen Waffengefährten Chermol und Chastarân ritt er in den Fremden Wald. Und auch er ward seitdem nie wieder gesehen. Damit keine Panik ausbrach, rief Intaladras im Adar desselben Jahres zu Ehren des verschollenen Lords das Kaiserreich Tektoloi aus. Lord Tektols Schwager Sendaris wurde zum ersten Kaiser des neuen Kaiserreichs. Gleichzeitig verteilte dieser auf die Männer, die Lord Tektol treu gedient hatten, die neuen Ländereien entsprechend ihren Leistungen bei der Besiedelung des neuen Reiches: Ygmallion Phrenetilaîos, der Führer der Ritterschaft, erhielt die Ländereien, die heute das Herzogtum Garian bilden. Retarphon Zêloton, der Führer der Fußtruppen, erhielt die fruchtbaren Ebenen von Titanas. Admiral Garoulion Phasnios erhielt die Länder im Ophis des Desoltagos. Die beiden Lordritter Chelderan Mitranos und Lerôzon Philliaq erhielten ebenfalls Ländereien in den Ebenen des Festlandes, die dann nach ihnen benannt wurden. Quelnidor Chellôron erhielt eine Grafschaft in Garian. Miktonos wurde zum Land des Kaisers (vgl. Melchîor Zeûgos (100 n.P.): "Die Gründung des Kaiserreiches").

Auf den ersten Blick eine gerechte Verteilung, mit der alle zufrieden hätten sein müssen, doch schon damals gab es böses Blut. Denn Retarphon Zêloton und Garoulion Phasnios fühlten sich von Sendaris, den sie ja - wie bereits erwähnt - nicht achten konnten, aus unterschiedlichen Gründen betrogen. So liest man aus einem Brief Zêlotons an seine Frau aus dem Jahre der Reichsgründung: "(...) Da sitze ich nun, bestückt mit fruchtbaren Ländereien, aber eingezwängt von allen Seiten von den anderen Fürstentümern. Während sie sich ausdehnen können und ihren Reichtum mehren können, wird Titanas also immer gleich groß bleiben. Unser Einfluß wird mit jedem Jahr schwinden. (...)" Garoulion Phasnios schrieb, als ihn die Nachricht über die Aufteilung der Ländereien erreichte, wütend an seinen Sohn: "(...) Wie kann er es wagen, uns, die wir aus Allennos stammen und auf dem Meer zu Hause sind, Ländereien ohne Zugang zur Küste zu geben? Wir werden verkümmern, wenn wir so abgeschnitten bleiben vom Meer. (...) Außerdem: Was bringen uns fruchtbare Ebenen ohne Menschen, um sie zu bebauen? Und Du - Du hast Dir das gefallen lassen! Warum hast Du nicht bessere Ländereien für uns gefordert, als das noch möglich war? (...)" In dieser bereits bei der Reichsgründung bestehenden Unzufriedenheit sind wohl auch die Wurzeln für den Aufstand der Herzöge von Titanas und Allennos gegen den Kaiser im Jahre 95 n.P. zu suchen (vgl. Illyon Markykes (178 n.P.): "Hochverrat. Zum Aufstand der Herzöge von Allennos und Titanas gegen den Kaiser im Jahre 95 n.P.").

Durch den Tod Lord Tektols verzögerte sich die Rückreise nach Denalgê, um die nächsten Siedler abzuholen, um etwa fünf Jahre. Diese zweite Reise wurde nur noch von Garoulion Phasnios, dessen Sohn Geromiyo und Intaladras geführt, was zu einigen Schwierigkeiten führte. Denn auf der Rückreise nach Denalgê konnte Intaladras einige Angriffe von Seeungeheuern nicht sofort abwehren, weshalb die Flotte in Denalgê erst repariert werden mußte. Garoulion Phasnios stieß auf einige Schwierigkeiten, bis er in dem immer weiter zerfallenden Denalgê die Männer gefunden hatte, die die Schiffe reparieren konnten, und zu allem Überfluß verstarb der Admiral im Jahre 60 n.P. Geromiyo Phasnios führte die Flotte zwar genauso sicher wie sein Vater, so daß diese mit dem zweiten Schwung Siedler 63 n.P. wohlbehalten in Tektoloi ankam. Doch er weigerte sich, eine erneute Überfahrt zu leiten, weil er befürchtete, daß seine Familie während seiner Abwesenheit weiter an Einfluß im Kaiserreich verlieren würde. Erst im Jahre 67 n.P. hatte man einen fähigen Nachfolger als Admiral der Flotte gefunden: Layrydion Zamleros. Da Intaladras noch mit dem Bau der Fähre von Tektoloi beschäftigt war und zudem nicht wagte, das junge Tektoloi noch länger ohne Schutz zu lassen, sollte sein jüngster Schüler, Kantaladras, die Flotte schützen. Die kaiserliche Flotte verließ im selben Jahr Tektoloi, um die dritte Welle der Siedler zu holen, doch sie kehrte nie zurück. Wir wissen bis heute nicht, ob sie einem Sturm oder Seeungeheuern zum Opfer gefallen ist, ob die innenpolitischen Verhältnisse in Denalgê die Rückkehr verhinderten oder ob ein anderes Unglück geschehen ist. Als die Flotte im Jahre 80 n.P. immer noch nicht zurückgekehrt war, wollte Sendaris eine zweite Flotte aussenden, um sie zu suchen. Doch als diese fertiggestellt war, wurde Tektoloi von Ungeheuern und Monstern bedroht, die den gesamten Einsatz der Streitkräfte und Magier in Anspruch nahm. Dann kam es durch den Aufstand der Herzöge von Allennos und Titanas zum Bürgerkrieg. Die Magier mischten sich zwar nicht ein, wollten aber die Situation auch nicht unbeaufsichtigt lassen. Bald nach diesem Krieg starben zuerst Intaladras und kurz darauf sein Meisterschüler Quelnidor Chellôron, und mit ihnen die Macht, die vonnöten ist, eine derart große Flotte auf einer so langen Reise zu schützen (Kallôrgyon Pâmyrg (107 n.P.): S. 251-303). Seitdem haben wir nichts mehr von unserer Heimat gehört, und wir wissen nichts über die Lieben, die wir zurückgelassen haben, und über das Schicksal derer, die uns noch folgen wollten, es aber nicht mehr konnten.

Wie groß war also die Zahl der Siedler, die tatsächlich in Tektoloi ankamen? Sie läßt sich nur grob abschätzen, denn es gibt keine genauen Angaben, auch nicht über die Zahl derer, die auf der Überfahrt starben oder geboren wurden. Wir wissen, daß die Flotte aus 100 Schiffen bestand, von denen drei auf der ersten Überfahrt und weitere zehn auf der zweiten Überfahrt verloren gingen. Wir wissen auch, daß die Schiffe nicht vollständig mit Siedlern gefüllt waren - im Gegenteil: die Ladung bestand zum größten Teil aus Vorräten, Zuchttieren und -pflanzen sowie Geräten, die für den Aufbau des neuen Reiches vorgesehen waren. Seriöse Schätzungen schwanken deshalb von einer Gesamteinwandererzahl zwischen 3.000 und 10.000 Personen (Die niedrigste Zahl nennt Wanya Zraydos in ”Neuere Schätzungen der Einwandererzahl nach Tektoloi” (153 n.P.; S.13); die höchste Zahl ist bei Pâmyrg (107 n.P.; S. 478) zu finden).

VI. Erinnerungen an Denalgê[]

Zahlreiche Zuchttiere und -pflanzen brachten die Siedler mit in dieses neue Land, um den Aufbau des neuen Kaiserreiches zu erleichtern. So brachten sie Saatgut für Weizen, Roggen, Gerste und Hirse mit. Auch die Ahnen der edlen Schlachtrosse, die die tektolonischen Ritter reiten, stammen aus Denalgê, so wie auch die Barigommim, die als Zugtiere verwendet werden. Diese mächtigen, aber friedlichen und gehorsamen dachsähnlichen Allesfresser sind zwar etwas behäbig, dafür verfügen sie jedoch über außerordentliche Zugkräfte. So geben auch heute nicht sich plackende Menschen das typische Bild des Pflügens ab, sondern hungrige Barigommim, die auf die Felder zur Nahrungssuche losgelassen werden und die Äcker so vollständig umgraben und zerwühlen. Ein weiteres bekanntes Nutzvieh, das aus Denalgê mitgebracht wurde, ist das Zottelschaf. Das Zottelschaf hat so lange Haare, daß man meist nur erkennen kann, wo vorne und hinten ist, indem man beobachtet, in welche Richtung das Zottelschaf läuft. Zottelschafe gibt es in allen Farben von Weiß über Grau bis Schwarz. Sie sind sehr zutraulich und werden hauptsächlich wegen ihrer feinen Wolle gehalten, ebenso wie der schweineähnliche, aber ein dichtes Fell tragende Laps, dessen Fleisch äußerst schmackhaft ist. Denn neben Leinen - ebenfalls ein Import aus Denalgê - ist Wolle einer der wichtigsten Rohstoffe für Kleidung in Tektoloi. Daneben schien man in Denalgê Geflügel sehr zu schätzen, denn die Einwanderer brachten gleich drei Hühnersorten mit: Das Rothuhn ist klein, rund und hat Federn in allen Rot- und Orangetönen. Es wird vor allem wegen seines Fleisches gehalten. Seine Eier sind zwar sehr aromatisch, aber auch sehr klein. Das Blauperlhuhn sieht aus, als ob es wertvolle Perlen in allen Weiß- und Blautönen trage. Die großen Eier des Blauperlhuhnes sind sehr nahrhaft. Eine gute Legehenne legt bis zu drei Eier pro Tag. Das gemeine Haushuhn hat zwar mindere Fleischqualität als das Rothuhn und legt weniger Eier als das Blauperlhuhn, ist aber weniger krankheitsanfällig, weshalb die meisten Allennosen alle drei Sorten halten. Das gemeine Haushuhn ist schneeweiß. Schließlich brachten die Siedler den Triob mit, einen dackelgroßen Insektenfresser, der optisch einem Maulwurf mit kurzen Beinchen gleich und ein hervorragender Schädlingsvertilger ist.

Vieles der denalgischen Heilkunst ging mit dem Fall Thalayos’ verloren, doch erinnern noch einige Heilpflanzen, die die Siedler aus Denalgê mitbrachten und die heute in jedem Kräutergarten zu finden sind, an das damalige Wissen. Hierzu gehört z.B. das Fieberkraut. Fieberkraut ist eine etwa 50 cm hohe Blume mit einem goldgelben Dotter und großen, weißen Blütenblättern. Es wächst in jedem allennosischen Kräutergarten. Ein Sud aus Honig und ihren Blättern, der in ein Tuch gewickelt wird und dem Kranken auf die Stirn gelegt oder um Arme, Beine und Bauch gewickelt wird, senkt Fieber. Ebenso findet man in jedem Kräutergarten Hàschmîch, eine hübsche Blume, deren Blüte aus einem Büschel winziger leuchtend blauer Blätter besteht. Hàschmîch ist, in aufgewärmtes Bier gegeben, ein harmloses Mittel gegen Erkältungskrankheiten. Insbesondere löst es Husten sehr gut. Or'aylon dagegen ähnelt Vergißmeinnicht, hat aber einen angenehm beruhigenden Duft. Außerdem beschleunigt ein Trank, der aus Honig, Schnaps und Or'aylon zubereitet wird, die Wundheilung von Mensch und Tier. Auch diese Pflanze fehlt in keinem allennosischem Kräutergarten.

Schließlich erinnern noch zahlreiche Gewürze an unsere alte Heimat. So ist grüner Safran ein sehr beliebtes, stark färbendes Gewürz, mit dem man Speisen alle Schattierungen eines exotisch aussehenden Flaschengrüns geben kann. Grüner Safran ist auch als Farbstoff sehr beliebt. Oyrigio ist eine große Blume, die zarte, magentafarbene Blüten hat und sehr hübsch aussieht. Eine Blume hat ein buschiges Blattwerk aus winzigen, zarten Blättchen, die dem Oregano und Thymian sehr ähnlich schmecken. Das Havarinkraut dagegen wird bis zu 30 cm hoch und blüht zartrosa. Seine flachen, zarten Blätter schmecken ähnlich wie Rosmarin, nur noch etwas harziger. Diese Liste ließe sich fortsetzen, doch sei mit diesem kurzen Überblick dem Anliegen Genüge getan, dem Leser zu zeigen, wie sehr sich auch in unserem heutigen Leben Spuren aus unserem früheren Leben in Denalgê finden. Eine genaue Auflistung aller damals mitgebrachten Gegenstände, Pflanzen und Tiere wurde damals von Sendaris erstellt und ist in den Archiven von Miktonos zu finden.