Der Ursprung der Feidra, wie er von ihnen selbst erzählt wird[]
Aufgezeichnet von Otwela von Memmering
Während des Goldenen Zeitalters der Elfen lebte unter ihnen einer, der Sandro Sturmfackel hieß. Er hatte, anders als sein Volk, eine Leidenschaft für das Feuer und schon als kleines Kind kniete er lieber vor den Flammen im Herd als mit anderen Kindern im Wald oder auf der Lichtung zu spielen. So wuchs er zur Sorge seiner Eltern abgesondert von der Gemeinschaft heran und er vergnügte sich damit, aus Pech und Öl und Harzen Fackeln zu machen. Als er älter wurde entdeckte er Salze mit denen er die Farbe von Flammen beeinflussen konnte. Er baute Gestelle mit Hülsen aus Holz und Bast die er mit Harzen und Ölen und seinen Salzen füllte und die, wenn er sie in Brand setzte leuchtende Blumen und Tiere darstellten.
Sandros Kunstfertigkeit wurde erkannt und freigiebig erfreute er jedermann mit seinen Flammen. Seine Beliebtheit wuchs während seine Feuer bei manchen Festen den glanzvollen Höhepunkt bildeten. Besonders unter den jungen Elfen gab es viele, die seine Werke bewunderten und begierig von ihm lernten. Ältere Elfen verlangten schönere und größere Feuerkunst von ihm zu sehen.
Das war zu der Zeit als Marlitha, die dunkle Elfe, unter ihnen weilte. Sie war in der Gunst des Königs aufgestiegen und galt als seine weiseste Beraterin. Ihre Position nutzte sie für ihre schändlichen Pläne weidlich aus. Das Herz von Sandro Sturmfackel gewann sie, als sie ihm die Herstellung eines Zaubermittels lehrte, welches die Schönheit seiner Feuer überwältigend werden ließ. Das Wissen darum ist auf Myra geschwunden, und das ist gut so, denn Marlitha verschwieg Sandro, dass dieses Mittel, wenn es in großer Menge verwendet wird, gewaltige Flammen aufsteigen lässt, die keines Elfen Können und Geschicklichkeit bändigen kann, Flammen, die ihn verzehren und aufs schrecklichste verändern.
Erfreut und ahnungslos nahm Sandro das Wundermittel. Er fertigte mit seinen Freunden und Helfern Feuerkünste, wie man sie auf Myra nie gesehen hat und nicht wieder sehen wird. Blühende Rosenbüsche machte er, mit Blüten von großer Schönheit, deren Duft den Nasen der Elfen schmeichelte, prächtigen Zierrat, wie sie ihn damals liebten. Ein machtvolles Heer in schimmernder Rüstung schuf er, unscheinbare Hülsen bei Tag, doch bei Nacht in Brand gesetzt so strahlend schön, dass selbst die Garde des Reiches staunte. Sandros Kunst erfreute die Herzen der Elfen.
Doch für die jährliche Feier zu Ehren Chnums verlangte der König von Sandro ein ganz besonderes Beispiel seiner Kunst. Über alle Maßen stolz ob dieses ehrenvollen Auftrages bot er an, auf einer sandigen Insel in der Nirsee, gegenüber dem Ufer des Festplatzes gelegen, ein Wunder zu tun, den Palast, den Tempel und alle anderen Gebäude der Elfenhauptstadt mitsamt ihren Bewohnern aus Feuer nachzubilden. Begeistert stimmte der König zu. Sofort wurden die nötigen Vorbereitungen in Angriff genommen. Die tragenden Gerüste wurden erbaut und große Mengen des neuen Feuermittels wurden angemischt und in Kartuschen verfüllt. Deren größte fertigte Sandro persönlich an und er befestigte sie an der Spitze der Gestelle um sie auf dem Höhepunkt des Festes selber zu entzünden. Nichts weniger als den hellen Sonnenaufgang wollte er abbilden. Mehr als einhundert Elfen versammelten sich auf der Insel um alle Effekte zur rechten Zeit in Gang zu setzen.
So näherte sich der Tag des Festes und um elf Uhr am Abend gab der König selber das Zeichen, dass Sandro und seine Helfer ihr Kunstwerk entzünden sollten. Sandro berührte mit seiner Fackel die erste Zündschnur, und seine Helfer taten es ihm nach. Blendendes Licht erhellte den Strand, leuchtend erstanden die Hauptstadt der Elfen aus farbigem Feuer, mit blühenden Bäumen in grün und gold. Das schönste Wunder aber waren die Nachbildungen der Elfen, die, in farbiges Feuer gehüllt die Zauberstadt belebten, bewegt von Sandros Freunden. Applaus brandete am Ufer auf als sich die Palastpforte öffnete und, von mehreren Helfern bewegt, ein strahlend schöner Elfenkönig aus Feuer sein Volk grüßte, ja, Momente später der Priester des Chnum, gewandet in Feuer vom reinstem Weiß vor einen Tempel aus goldenen Flammen trat um die Elfen zu segnen.
Während so das ganze Elfenvolk diesem Schauspiel gebannt folgte und Sandros Schüler die minderen Feuerhülsen entzündeten kletterte er selber an die höchste Spitze des Gestells um seine Sonne als krönenden Abschluss strahlend entflammen zu lassen. Nie zuvor war eine solche Menge des Feuerpulvers auf einem Mal entzündet worden.
Unter sich guckend, sein Meisterwerk zu betrachten, den Applaus des Elfenvolkes in den Ohren entzündete Sandro, trunken vor Glück mit seiner Fackel die Zündschnur der Sonne und beobachtete, wie sich das Flämmchen langsam an die riesige Hülse mit dem Feuerpulver heran fraß. Sorgen machte er sich keine. Nie hatte es Unfälle bei seinen Vorführungen gegeben, stets explodierten seine Wunderfackeln in strahlenden Lichtzaubern, nie verschreckten sie mit lautem Knall oder zerstörerischen Detonationen die Bewunderer seines Tuns. Bedeutend dünkten ihm seine Kenntnisse.
Doch wie alle Gaben Marlithas brachte auch die Feuerkunst endlich Unheil und Verderben über die Elfen. Die Zuschauer am Ufer sahen einen gleißenden Blitz und mussten die Augen abwenden. Eine Winzigkeit später ließ ein gewaltiger Knall ihre Ohren ertauben. Trümmer prasselten auf die Festgesellschaft und verletzte und tötete viele. In Panik flohen die Elfen. Ein fetter, schwarzer Rauch folgte ihnen der entsetzlich nach verbranntem Fleisch roch. Hinter ihnen hüllte eine Flammenwand die Insel ein. Verängstigt lauschten sie den gequälten Schreien der Eingeschlossenen, unfähig ihnen zu helfen.
Am nächsten Morgen versammelten sich die Elfen am Ufer, angezogen von den schlimmen Ereignissen der Nacht und ihrer Furcht um das Schicksal von Sandro und den seinen. Der ganze Festplatz war verwüstet, dünner Rauch stieg von schwelenden Trümmern auf. Doch schrecklicher war, was sie auf der Insel sahen. Sandro und seine Gefährten standen dort, eingeschlossen von den Wassern der See ringsum, entflammt als Feuergeister, lebende Fackeln, doppelt so groß wie die entsetzt starrenden Elfen am Ufer, weiter existierend durch einen verderbten Zauber in Marlithas Geschenk, sich nährend von den Resten ihres zerstörten Wunderwerkes, verdammt, einen fortwährenden Feuertod zu sterben, Volk, Freunde und Familien am Ufer um Hilfe anflehend.
Marlitha, die viel hätte erklären können war nicht zu finden, wurde auch später nie gefragt, erfreute sie sich doch der Gunst des Königs, und sie half den brennenden nicht. Der König, der doch eine besondere Feuerkunst gefordert hatte wies alle Verantwortung von sich. Sandro wurde mit seinen Freunden und Helfern zum einzig Schuldigen erklärt, ihr Schicksal als ihre gerechte Strafe befunden und sie wurden aus dem Reich der Elfen verbannt. Dieses Urteil befreite das Elfenreich von ihrer gefährlichen Gegenwart, entzündeten sie doch alles brennbare in ihrer Nähe. Auf einem Damm, der zur Insel aufgeschüttet wurde zogen Sandro und seine Gefährten davon, ans Ufer und in die Wälder des Machairas, eine Schneise aus verbrannten Pflanzen und verkohltem Boden zurücklassend.
Die Elfen an der Nirsee waren über ihre Verbannung froh. Auch wenn viele mit den brennenden verwandt oder befreundet waren war deren Gegenwart doch durch die Hitze, welche sie ausstrahlten unerträglich, und die lebende Natur, welche die Elfen doch so lieben verbrannten sie zu bitterer Asche.
So verließ Sandro Sturmfackel die Elfen, zusammen mit allen brennenden, so wie ein Aussätziger Volk, Freunde und Familie verlässt und fortan unter seinesgleichen leben muss. Alle Kontakte brachen die Elfen zu den brennenden ab, erwähnten sie nur selten und nannten sie Feidra, die Feuer. Sandros Name wurde verfemt und alle Feuerkunst wurde verboten. Doch der Schaden war angerichtet, viele Elfen waren tot oder als Feidra vertrieben, ein Schatten war auf das Goldene Zeitalter gefallen.