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Über das Rechts- und Gerichtswesen in Scariza

Scarizas Rechtswesen ist von zwei wesentlichen Gegebenheiten geprägt worden. Zum einen ist und war Scariza eine Einwandererstadt. Über die Jahrzehnte und Jahrhunderte strömten mal mehr, mal weniger Personen in die Stadt, die integriert und akzeptiert werden wollen und müssen. Zum anderen ist Scariza durch den Nah- und Fernhandel geprägt, was besondere Regelungen für diesen erforderlich gemacht hat. Der Handel ist die Lebensader der Stadt und daher reagiert diese besonders empfindlich auf Störungen desselben.

Der erste Aspekt hat schon früh zu einem sehr dezentralen System geführt. Scazira besteht bekanntlich aus 17 Stadtteilen, denen jeweils ein Fadog-Ten, ein „Stadtteilvogt“ vorsteht. Alle alltäglichen Verbrechen, wie Diebstahl, Betrug, ja sogar Mord werden von Gerichtsversammlungen in den Stadtteilen abgeurteilt. Nur die schwersten Verbrechen werden von einer zentralen Gerichtsbarkeit, dem Dehingg, behandelt, die nicht alleine für den Stadtteil zuständig ist. Dieses sind Angelegenheiten, die die gesamte Stadt betreffen, also beispielsweise Verrat an der Stadt, Bandenkriminalität und schwere andere Fälle, in die mehrere Stadtteile verwickelt sind. Das Dehingg hat auch eine lockere „Aufsicht“ über die Gerichtsversammlungen der Stadtteile. Es ist nur dem Stadtoberhaupt, dem Yaboti mive rizi do Scariza verantwortlich, der die Mitglieder auf Lebenszeit beruft.

Nichtsdestotrotz ist jeder Stadtteil den gleichen Rechtsgrundlagen verpflichtet, die in den Sconi do Berliscu, den „Rollen der Gerechtigkeit“ hinterlegt sind. Diese werden von der Stadtversammlung verwahrt und gepflegt. Dazu trifft sich diese zwar unregelmäßig, aber doch häufig. Der Name rührt von der traditionellen Aufbewahrung als aufgerollte Zetrod-Bögen. Auf jeder Rolle ist genau ein Gesetz niedergeschrieben. Falls ein Gesetz eine Änderung erfährt, wird die Rolle ausgetauscht.

Die Dezentralisierung schlägt sich vielleicht am deutlichsten darin nieder, dass jeder der in das Gesetz der Stadt, also in den Status der Rechtmäßigkeit („Liscuensii“), aufgenommen werden will, sich darum selbst kümmern muss. Dies gilt gleichermaßen für neu einwandernde Personen, die in der Stadt erst einmal als „nicht rechtmäßig“, also iiliscu gelten, als auch für noch nicht verurteilte Verdächtige, denen die Liscuensii vom Fadog-ten entzogen wird. Eine Verurteilung vor einem Gericht bringt immer einen Weg mit sich, wie die Liscuensii wieder hergestellt werden kann, was meist mit einer Geldzahlung, Frondiensten, manchmal aber auch mit dem Ableben des Verurteilten verbunden ist. Mit der Exekution ist dann die Person interessanterweise wieder in einem Zustand der Rechtmäßigkeit. Eine Schuld über den Tod hinaus gibt es nur, wenn die Person nicht von der Gerichtsbarkeit zur Strecke gebracht wurde, sondern quasi „zufällig“ starb. Dies ist aber ein seltener Fall, denn die Todesstrafe ist rar und wird nur bei den bösartigsten Delikten zur Anwendung gebracht.

Die allerhäufigste Form der Strafe ist der Frondienst für den oder die Geschädigten, wobei eine festgelegte Leistung zu erbringen ist, und nicht etwa eine Anzahl Tage abzusitzen ist. Dies bringt auch direkt eine mögliche Abgeltung mit Geld mit sich, denn der Verurteilte kann sich diese Dienste auch einkaufen. Oft wird auch direkt eine Geldstrafe verhängt, da Geld in einer Handelsgesellschaft das ultimative Maß einer Leistung darstellt. Häufig sind aber auch Dinge wiederzubeschaffen, ein bestimmter Zustand wiederherzustellen, oder aber ein Ausgleich zu besorgen. Wurde beispielsweise eine Person verschuldet zu einem Invaliden, so muss der Verurteilte diesen Nachteil ausgleichen, zum Beispiel in dem er ihm zeitlebens eine Sänfte mit Trägern bezahlt – oder aber ihn schlicht und ergreifend trägt, so er selber mittellos ist.

Dies bringt uns zu einer Schwäche des Rechtssystems von Scariza – nämlich dem Entzug vor der Strafe. Da es keine Kerkerhaft gibt (nur eine Art Untersuchungshaft existiert), kann sich ein Verurteilter relativ leicht der Strafe entziehen, indem er die Stadt verlässt. Damit begibt sich die Person wieder in den allgemeinen Zustand der Rechtlosigkeit und verschwindet zunächst aus dem Zugriff der Gerichtsbarkeit. Von Seiten der Stadt wird keine Anstrengung unternommen, dies zu unterbinden, denn es wird geradezu als erwünscht angesehen, dass sich kriminelle Elemente entfernen. Lediglich der Geschädigte hat das Nachsehen, so lange er nicht selbst für eine effektive Möglichkeit sorgt, den Verurteilten an der Flucht zu hindern, also z.B. in Ketten zu legen. Da der Verurteilte, der seine Strafe noch nicht „abgearbeitet“ hat ein iiliscu ist, ist das ohne weiteres möglich.

Kommen wir nun zu den neuen Einwanderern. Um in den Zustand der Rechtmäßigkeit, die Liscuensii aufgenommen zu werden, muss man sich entsprechend durch einen Dienst an der Stadt bezahlt machen. Dazu benötigt man in aller Regel einen Fürsprecher, der das Anliegen der Gerichtsbarkeit vorträgt (da man als iiliscu keine Bürgerrechte hat, kann man diese auch nicht einfordern). Die Stadt (bzw. ihre Vertreter) benennen eine Summe, für die sie den Neubürger in die Liscuensii aufnehmen. Diese muss nicht immer gleich sein, je nachdem was für einen Nutzen die Stadt von dem Neubürger erwartet. Für einen fähigen Handwerker kann etwa die Stadt beschließen, dass die zu zahlende Steuer Anreiz genug für die Stadt ist, diesen aufzunehmen. Ein bekannter Nichtsnutz wiederum kann einen ganz ordentlichen Frondienst aufgebrummt bekommen. Üblich ist nun, dass der Fürsprecher von der Stadt das Recht an diesem Frondienst abkauft, so lange nicht der Neubürger das selbst tut. Damit muss der Neubürger seinen Dienst an dem Fürsprecher ableisten, was das Fürsprechertum für Gewerbetreibende sehr ansprechend macht. Auf diese Art und weise können Handwerker beispielsweise sehr leicht fähige Arbeiter in die Stadt holen, indem sie der Stadt quasi einen Lohnvorschuss zahlen, den der Arbeiter dann abarbeitet. Während der Ableistungszeit, mindestens ein Jahr aber, ist der Fürsprecher der Stadt Rechenschaft für den Neubürger zuständig. Nach einem Jahr erst (oder dem Ablauf des Dienstes) wird er mit Entlassung aus diesem Dienst zum vollwertigen Bürger der Stadt.

Warum nun sollte man daran interessiert sein, in die Liscuensii aufgenommen zu werden? Nun, es ist recht einfach: iiliscu können von der Stadtwache recht einfach vor die Tür (oder auf ein passendes Schiff) gesetzt werden und sind erst einmal überall verdächtig. Geschäfte, die diese tätigen sind immer nichtig, so lange diese nicht von entsprechender Seite (Fürsprecher, Notar) beglaubigt werden. So lange sie keinen Gastgeber finden, der ihnen Unterschlupf gewährt, sind sie zudem quasi vogelfrei. Wehe ihnen, wenn sie außerhalb des Hafengebietes (in dem sich so ziemlich jeder frei bewegen kann) bei verdächtigen Aktivitäten von der Stadtwache aufgegriffen werden!

Und was machen Gäste in der Stadt, die nur kurz verweilen? Für Gäste ist die Situation erst einmal einfach: Es bürgt der Herbergsgeber – ob privat oder als Herbergsbetreiber. Er stellt die Gäste unter seinen Schutz und ist damit automatisch für ihr Verhalten mitverantwortlich. Als Mittel um dies nachzuweisen gibt der Gastgeber dem Gast eine kleine Plakette mit seinem Namen und Siegel mit. Diese Plakette, Gahu’liscu genannt, ist offen zu tragen, womit für jeden Bürger klar zu erkennen ist, wer für den Gast bürgt. Fälschung von Gahu’liscae wird üblicherweise mit Enteignung und Verweis aus der Stadt geahndet.


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